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Urteil im Verfahren gegen die Mutter des 9-jährigen Jungen sowie deren Lebensgefährten
Datum: 07.08.2018
Kurzbeschreibung: Gesamtfreiheitsstrafen von zwölf Jahren bzw. zwölf Jahren und sechs Monaten
Mit Urteil von heute wurde das insgesamt fünfte Verfahren wegen unter anderem des Vorwurfs des schweren sexuellen Missbrauchs eines inzwischen zehn Jahre alten Jungen aus Staufen mit einem Urteil abgeschlossen. Die Jugendkammer des Landgerichts Freiburg hat am heutigen elften Verhandlungstag dieser am 11. Juni 2018 begonnenen Hauptverhandlung die beiden Hauptangeklagten – einen einschlägig vorbestraften 39 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen und die 48 Jahre alte Mutter des missbrauchten Kindes – zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwölf Jahren bzw. zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während gegen die Frau eine etwas höhere Strafe verhängt wurde, hat die Jugendkammer bei dem Mann auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Beide Angeklagten müssen einem gleichfalls geschädigten Mädchen 12.500,00 Euro und dem Jungen 30.000,00 Euro Schmerzensgeld bezahlen.
Das Gericht kam dabei zu der Feststellung, dass sich der Mann in insgesamt 21 Fällen, die Frau dagegen in 19 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben, teilweise dabei in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung, Vergewaltigung, schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, schwerer Zwangsprostitution, Herstellung kinderpornografischer Schriften, Missbrauch von Schutzbefohlenen und anderen Delikten.
Bei dem Angeklagten liegt eine Störung im Sinne einer Pädophilie mit hetero- und homosexueller Ausprägung (ICD-10: F 65.4) vor, zudem eine sexuelle aggressiv-destruktive Nebenströmung sowie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Anteilen (ICD-10: F 60.2). Die bei dem Angeklagten zu diagnostizierende Störung der Sexualpräferenz erreicht aber nicht das Ausmaß einer krankhaften seelischen Störung, einer anderen schweren seelischen Abartigkeit oder gar eines Schwachsinns im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Auch lag bei dem Angeklagten bei keiner der Taten eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor. Bei ihm war daher von uneingeschränkter strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei der Begehung sämtlicher Taten auszugehen.
Bei der Mitangeklagten und Mutter des missbrauchten Jungen liegt keine seelisch-geistige Störung vor, die geeignet wäre die Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zu erreichen. Es ist daher auch bei ihr von uneingeschränkter strafrechtlicher Verantwortlichkeit bei der Begehung sämtlicher Taten auszugehen. Zwar ist bei der Angeklagten eine niedrige – unterdurchschnittliche – Intelligenz festzustellen, die im Grenzbereich zur leichten Intelligenz-minderung zu verorten ist, diese jedoch nicht überschreitet. Diese unterdurchschnittliche Intelligenz ist auch im Zusammenhang mit einer vorhandenen Persönlichkeitsfehlentwicklung nicht geeignet, eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten zu begründen.
Nach seiner Haftentlassung im Januar 2014 lernte der Angeklagte Ende 2014 über die „Tafel“ in Staufen die Mitangeklagte sowie kurze Zeit später auch deren im Juli 2008 geborenen Sohn kennen. Dabei wusste die Angeklagte über die pädosexuelle Orientierung und die Vorstrafe des Angeklagten sowie den Umstand, dass dieser unter Führungsaufsicht stand, von Anfang an Bescheid.
Nachdem der Angeklagte gegenüber der Mitangeklagten sein Interesse an Kindern – vorzugsweise einem Mädchen – geäußert hatte, organisierte sie für ihn auf dessen Wunsch und nach detaillierter Absprache mit diesem (per WhatsApp) zunächst Begegnungen mit einem im Mai 2012 geborenen, geistig und motorisch etwas retardierten Mädchen, das der Angeklagten von deren Mutter gelegentlich für einige Stunden zur Betreuung und zum gemeinsamen Spielen mit dem Sohn der Angeklagten überlassen worden war. In der Folge kam es im Zeitraum Februar bis April 2015 zwischen den beiden Angeklagten zu im Einzelnen abgesprochenen sexuellen Übergriffen durch die beiden Angeklagten zum Nachteil des Mädchens, die auch jeweils auf Video aufgenommen wurden. Kurz nach Beendigung der Übergriffe zum Nachteil des Mädchens begannen die Angeklagten im Mai 2015 damit, den Sohn der Frau zu missbrauchen. Der Angeklagte zeigte diesem zunächst Filme mit kinderpornographischen Inhalten, zeitnah folgten dann die sexuellen Übergriffe mit Körperkontakt, wobei der Angeklagte dem Jungen, der in äußerst angespannten finanziellen Verhältnissen aufwuchs, anfänglich für seine Mitwirkung einen Geldbetrag in Höhe von etwa 20,00 Euro in Aussicht stellte. In der Folge wurden Zuwendungen im Rahmen von gemeinsamen Einkäufen im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen gestellt, um den Jungen für sexuelle Handlungen zu belohnen.
Die Tathandlungen zum Nachteil des Jungen reichten von Masturbationshandlungen von und an dem Jungen bis zu Oral- und Analverkehr, teilweise verbunden mit Fesselungen und Maskierungen. Sofern der Junge es wagte, Widerstand zu äußern oder zu zeigen, wurde dieser von den Angeklagten und den Mittätern auch häufig ignoriert und sich mittels einfacher körperlicher Gewalt hierüber hinweggesetzt. Der Junge wurde bei den Übergriffen von allen Tätern regelmäßig barsch angeherrscht und zur sexuellen Erregung in äußerst despektierlicher Wortwahl beleidigt. Der Angeklagte fertigte von zahlreichen Tathandlungen Videoaufnahmen, zunächst jedenfalls in der Absicht, sie für sich zur weiteren sexuellen Befriedigung zu verwenden, spätestens ab September 2016 auch jeweils in der Absicht, diese im Rahmen so genannter „Fake-Checks“ an potentielle „Freier“ im so genannten „Darknet“ zu versenden. Bis zu ihrer Verhaftung haben dann beide Angeklagten den Jungen nach den Feststellungen des Urteils jedenfalls vier in Freiburg angeklagten „Freiern“ zum sexuellen Missbrauch überlassen – einem ebenfalls einschlägig vorbestraften deutschen Staatsangehörigen, einem deutschen Soldaten, der im Elsass stationiert war, einem Schweizer und einem gestern zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten Spanier.
Bei den Kontakten mit möglichen Freiern wurde von dem Hauptangeklagten mit Wissen und Wollen der Mitangeklagten teilweise vereinbart, dass die sexuellen Übergriffe auch von Fesselungen begleitet werden konnten. Gleiches galt für die Verwendung von Maskierungsmitteln. Der bereits einschlägig vorbestrafte Bekannte des Angeklagten war der einzige „Freier“, zu dem der Angeklagte den Kontakt nicht über das „Darknet“ hergestellt hatte. Vereinbart war mit den Dritten jeweils zumindest Oralverkehr. Auf den etwaigen künftigen Analverkehr – insbesondere auch mit dem Angeklagten - wurde der Junge durch seine Mutter, die stets im Vorfeld informiert war und ihn gefügig machte, durch Dehnung des Afters mit verschiedenen Mitteln (Dildos und Analketten) vorbereitet. Vor Zustandekommen einer Verabredung wurden zwischen dem Angeklagten und den ihm zu keinem Zeitpunkt namentlich bekannten Mittätern die bereits erwähnten, so genannten „Fake-Checks“ getauscht.
Der Angeklagte nahm selbst häufig an den Übergriffen teil, filmte diese, schaute zu, was ihn erregte und ließ ebenfalls im Anschluss oder parallel im Wechsel Oralverkehr durch den Jungen an sich ausführen oder masturbierte. Die Mitangeklagte und Mutter des Kindes war in die Termine jeweils eingeweiht, übergab ihren Sohn dem Angeklagten bzw. forderte den Jungen auf, mit dem Angeklagten mitzugehen. Häufig hielt sie sich in der Nähe der Tatörtlichkeit auf, um auf ihr Kind eine beruhigende Wirkung zu entfalten. Beim getrennt strafverfolgten deutschen Soldaten nahm sie auch selbst an der Tathandlung teil.
Die im Verlauf der Zeit häufiger und heftiger werdenden Übergriffe auf das Kind endeten erst nach der Inhaftierung der beiden Angeklagten am 16. September 2017. Zeitgleich wurde der Junge in Obhut genommen.
Die Jugendkammer hat ihre Entscheidung unter anderem auf die Geständnisse beider Angeklagten und die Ansicht der Aufnahmen der Missbrauchstaten gestützt. Aufgrund des Gutachtens eines forensischen Sachverständigen kam die Kammer überdies zu der Überzeugung, dass bei dem männlichen Angeklagten die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegen, bei der Frau jedoch nicht.
Zugunsten des umfassend geständigen männlichen Angeklagten kam es zur Anwendung von § 46b StGB, da durch seine kurz nach seiner Festnahme gemachten Angaben einige Mittäter und auch weitere Täter im Darknet identifiziert und letztlich auch verurteilt werden konnten, so unter anderem zwei Täter aus Schleswig-Holstein, von denen einer in Karlsruhe vor Gericht stand.
Das Urteil ist hinsichtlich der Mutter des Kindes rechtskräftig, hinsichtlich des männlichen Angeklagten nicht.
§ 46b StGB hat folgenden Wortlaut:
§ 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten
(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,
1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.
(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:
1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.
(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.