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Schwurgericht des Landgericht Freiburg verurteilt 63 Jahre alten Mann nach der Tötung der Mutter seiner früheren Lebensgefährtin und schwerer Verletzung der ehemaligen Partnerin wegen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (1 Ks 200 Js 1108/23 AK 3/23)

Datum: 10.08.2023

Kurzbeschreibung: Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts des Landgerichts Freiburg verurteilt nach insgesamt acht Hauptverhandlungstagen einen 63 Jahre alten Deutschen we-gen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Mit Urteil von gestern hat die 1. Große Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Freiburg am achten Sitzungstag der seit 10. Juli 2023 dauernden Hauptverhandlung einen 63 Jahre alten Mann wegen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt, weswegen eine Reststrafenaussetzung nicht ohne Weiteres bereits nach 15 Jahren Mindestverbüßungszeit in Betracht kommt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).


Der Mann hatte sich nach den Feststellungen des Gerichts am frühen Morgen des 11. Januar 2023 zum Wohnanwesen begeben, in dem seine frühere Partnerin wohnte und dabei ein stabiles Messer mit feststehender, etwa zwölf Zentimeter langer Klinge in einer Hartplastikscheide mitgenommen. Er wollte einen letzten Versuch unternehmen, mit der erheblich jüngeren Frau über die Situation zu sprechen und sie zu einer Fortsetzung der Beziehung zu bewegen, wobei er bereits zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst hatte, sie im Falle einer Weigerung zu töten. Als die junge Frau kurz nach 07:00 Uhr mit ihrer Mutter das Anwesen verließ, trat der Angeklagte beiden unvermittelt entgegen, worauf beide Frauen zum Eingang des Anwesens zurückgingen. Während es der frühere Partnerin nicht gelang, die Eingangstüre zu öffnen, stellte sich ihre Mutter dem Angeklagten mit ausgebreiteten Armen in den Weg, wobei sie den Angeklagten aufforderte, ihre Tochter in Ruhe zu lassen und zu gehen. Der Angeklagte fasste nun den Plan, die Mutter zu töten, um hierdurch zu seiner ehemaligen Partnerin zu gelangen, um auch diese mit dem mitgeführten Messer zu töten. Er stach mit dem Messer zunächst mindestens einmal mit Tötungsvorsatz auf die Mutter ein, der es nicht möglich war, sich hier-gegen effektiv zur Wehr zu setzen, was der Angeklagte erkannte und ausnutzte. Anschließend stach er auch mehrfach auf seine frühere Partnerin und ihre Mutter ein, bis diese in kauernder Position zum Sitzen kamen. Danach entfernte sich der Angeklagte in der Überzeugung, beide Frauen getötet zu haben, und teilte einem Freund in einer Sprachnachrichten mit, er habe am Morgen seine Sachen geregelt, wobei er unter anderem von einer „Endlösung“ schrieb. Zudem erklärte er mit weiterer Nachricht an einen anderen Freund: „abgepasst (…) halt abgestochen mit dem Messer“.


Die Mutter der ehemaligen Partnerin erlitt mehrere Stichverletzungen am Oberkörper, wobei einer der Messerstiche in den Brustbereich erfolgte, der neben einer Durchtrennung von zwei Rippen auch das Herz und die Lunge traf, was zur Folge hatte, dass sie innerlich verblutete und starb. Die Tochter erlitt durch den Angeklagten gleichfalls unter anderem mehrere Stichverletzungen im Oberkörperbereich und im Gesicht, ein Schädel-Hirn-Trauma und einen kompletten Bruch des Mittelgesichtsknochens. Sie musste operativ und intensivmedizinisch versorgt werden und leidet bis heute unter einem Taubheitsgefühl am Kopf, am linken kleinen Finger und der gesamten unteren Hälfte der linken Wade. Sie kann ihren linken Finger noch nicht vollständig strecken oder beugen. Für die Dauer von fünf Wochen musste sie eine Schiene an der Hand und am linken Bein tragen und konnte lediglich an Krücken gehen. In dieser Zeit musste sie sich selbst Thrombose-Spritzen verabreichen. Die Frau musste sich in psychotherapeutische Behandlung begeben, die noch andauert, und leidet sehr unter den ihr vom Angeklagten zugefügten Narben im Gesicht.


Das Schwurgericht hat die erwähnten Feststellungen ergänzend zur Einlassung des Angeklagten getroffen, er habe am Morgen des 11. Januar 2023 lediglich mit seiner früheren Partnerin über deren Kontaktabbruch reden wolle, diese sei aber mit ihrer Mutter einfach weitergegangen. Als die Mutter dann zu schreien angefangen habe, habe er plötzlich das Messer in der Hand gehabt und zugestochen, wobei er sich an den genauen Tatablauf nicht mehr erinnern könne. Er habe irgendwie wahllos auf die Frauen eingestochen, dann aufgehört und sei dann weggegangen.


Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht dieser Einlassung nur zum Teil gefolgt. Die Richter haben sich davon überzeugt, dass der Angeklagte spätestens am Morgen des Tattages dazu entschlossen war, seine frühere Partnerin zu töten, falls sie einen letzten Kontaktversuch ablehnen würde, wofür bereits sprach, dass er am Morgen des Tattages ein Messer mitnahm, das er schon auf der Straße aus einem Schaft zog und im Eingangsbereich des Wohnanwesens seiner früheren Partnerin nach kurzer Zeit zum Angriff auf die sich ihm in den Weg stellende Mutter seiner früheren Partnerin überging. Die Mitnahme des Messers aus Gründen des Eigenschutzes hielt die Kammer für unglaubwürdig. Er handelte vor dem Hintergrund einer im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen festgestellten narzisstisch akzentuierten Persönlichkeitsstruktur aus Kränkung durch die Zurückweisung durch seine ehemalige Partnerin, die er als erhebliche Verletzung seines eigenen Anspruchs auf Kontrolle seiner früheren Partnerin und seines privaten und beruflichen Lebens erlebte, sowie aus hieraus resultierenden Rachegedanken. Den mit bedingtem Tötungsvorsatz erfolgten Angriff auf die Mutter hat er unternommen, um hierdurch auch die Tochter töten zu können. Insoweit war das Mordmerkmal der Ermöglichung einer anderen Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB erfüllt. Seine frühere Partnerin beabsichtigte er, aus einem bei ihm dominierenden Beherrschungs- und Machtwillen zu töten, weswegen er insoweit aus niedrigen Beweggründen handelte. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der Tötung der jüngeren Frau hat die Strafkammer verneint.


Bei der Begehung der Tat war der Angeklagte nach der Überzeugung des insoweit sachverständig beratenen Schwurgerichts in seiner Fähigkeit, das Unrecht seines Tuns einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, nicht erheblich eingeschränkt (§ 21 StGB) oder gar auf-gehoben (§ 20 StGB).


Die besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) hat das Schwurgericht mit Blick auf die brutale Art der Tatausführung bei zwei Opfern und unter Berücksichtigung mehrerer Mordmerkmale, der körperlichen und seelischen Folgen des Geschehens für seine frühere Partnerin und auch der sonstigen Begleitumstände bejaht.


Der Angeklagte, der noch am Tattag festgenommen werden konnte und sich seit dem Folgetag in Untersuchungshaft befindet, wurde durch das Schwurgericht entsprechend den Adhäsionsanträgen der Nebenkläger und seinem diesbezüglichen Anerkenntnis der Nebenkläger zu Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,-- € und zweimal 10.000,-- € sowie zur Zahlung von Hinterbliebenenrenten in Höhe von zweimal 15.000,-- € und dreimal 10.000,-- € verurteilt. Zudem muss er seiner ehemaligen Partnerin sämtlich weiteren materiellen und immateriellen Schäden ersetzen, die aus der Tat vom 11. Januar 2023 resultieren und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.


Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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