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Urteil im Mordprozess "Neuenburg 2"

Datum: 09.02.2017

Kurzbeschreibung: Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes auf einem Feld bei Neuenburg, Freispruch bei mitangeklagtem Heranwachsenden

Verurteilung zu einer lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes auf ei­nem Feld bei Neuenburg, Freispruch bei mitangeklagtem Heranwach­senden

 

Die Jugendkammer des Landgerichts Freiburg hat - als Schwurgericht - mit Urteil vom heuti­gen Tag einen 24 Jahre alten türkischen Staatsangehörigen wegen Mordes zu einer lebens­langen Freiheitsstrafe verurteilt, ein als Mittäter angeklagter, inzwischen  22 Jahre alter deut­scher Staatsangehörige wurde freigesprochen.

 

Nach der am 25. Januar 2016 begonnenen und insgesamt 35 Tage dauernden Hauptver­handlung hat das Gericht den zur Tat­zeit 22 Jahre alten Angeklagten für schuldig befunden, sich in der Nacht zum 29. Dezember 2014 mit einem etwa gleichaltrigen Mann an der Half­pipe in Neuenburg verabredet und diesen dann an einen abgelegenen Ort gelockt zu haben. Dort habe der Angeklagte das Opfer, das zu diesem Zeitpunkt mit keinen Angriff rechnete, mit einer Selbstladepistole der Marke „Beretta, 7.65 Browning“ in einem Abstand von etwas mehr als einem Meter von hinten in den Kopf geschossen. Das Geschoss trat in eine vom Opfer getragene Kapuze auf Höhe des Nackens - unterhalb des linken Ohres - ein und streifte dabei vermutlich den Hinterkopf, verursachte jedoch keine knöchernen Verletzungen, vielmehr allenfalls eine leicht blutende oberflächliche Verletzung durch den Streifschuss am Hinterkopf. Ein weiterer Schussversuch scheiterte wegen einer Ladehemmung der Waffe. Nachdem der Angeklagte erkannt hatte, sein Ziel, das Opfer mit der Waffe zu töten, wegen des Defekts der Waffe nicht mehr erreichen zu können, begann er mit dem Griff der Waffe auf sein Opfer einzuschlagen. Dabei führte er mit großer Wucht zahlreiche Schläge insbe­sondere gegen den Kopf aus, der zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch durch die Kapuze geschützt war, danach weitere Schläge mit voller Wucht auf den dann ungeschützten Kopf. Zudem schlug er mit dem Lauf der Waffe gleichfalls gegen den Kopf des Opfers, das zeit­weise ver­suchte, sich gegen die Schläge zu wehren, aber auch auf angrenzende Felder zu ent­kommen versuchte. Dabei ging das Opfer aufgrund der Wucht der Schläge mehrfach zu Boden, konnte sich aber immer wieder aufrichten, bis es aufgrund weiterer - teilweise auch mit den Fäusten geführter - Schläge, aber auch von Tritten mit den beschuhten Füßen, auf einer etwa 50 Meter vom ersten Angriffsort entfernten Ackerfläche zusammenbrach. An­schließend setzte der Angeklagte seine Attacken auf das nun wehrlos auf dem Bauch am Boden liegende Opfer fort, versuchte auch nochmals auf dieses zu schießen, was abermals - vermutlich aus technischen Gründen - erfolglos blieb. Als auch ein nochmaliger Schussver­such nicht zur Tötung des Opfers führte - ein sich lösen­der Schuss war offenbar auf der ge­frorenen Erde abgeprallt und lediglich in die Kapuze des Opfers eingedrungen -, ergriff der Angeklagte einen etwa ein Meter langen Holzpfahl und führte mit diesem mehrere Schläge mit voller Wucht gegen den Kopf des Opfers aus. Auch mit einem zweiten Holzpfahl schlug der Angeklagte auf den Kopf des Opfers ein. Insgesamt kam es am Kopf des Opfers durch die Schläge mit dem Lauf der Schusswaffe zu mindestens 20 rundlichen Ausstan­zungsverlet­zungen.

 

Das Opfer erlitt durch die wiederholte, mit absolutem Tötungswillen ausgeführte Gewaltein­wirkung mit der Waffe, Tritten, Faustschlägen und den Holzpfählen Weichteilverletzungen an der Kopf­haut und im Gesicht, Schädelfrakturen im linken Schläfenbereich sowie Prellungs­blutungen der Hirnrinde. Die massiven Blutverluste führten zu einem Kreislaufschock. Im Zustand der Bewusstlosig­keit kam es zu einer Aspiration (Einat­mung) von erbrochenem Ma­geninhalt. Die daraus re­sultierende Beein­trächtigung des Gasaustausches war in Verbin­dung mit dem Blutungs­schock ursäch­lich für den Tod des Opfers.

 

Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Schwurgerichtskammer war der An­geklagte bei der Tat voll schuldfähig. Anhaltspunkte für eine aufgehobene oder zumindest erheblich verminderte Schuldfähigkeit fanden sich nach Auffassung der Jugendkammer nicht. Der Angeklagte handelte heimtückisch und grausam.

 

Der Mitangeklagte war bei der Ausführung der Tat anwesend, stand dabei jedoch etwas ab­seits, ohne aktiv in das Geschehen einzugreifen. Dabei hat der damals 20 Jahre alte Ange­klagte das Vorgehen des Verurteilten möglicherweise gebilligt, die Kammer konnte indes nicht ausschließen, dass der Heranwachsende vom Vorgehen des verurteilten Angeklagten überrascht wurde und aus Angst nicht eingegriffen hat, weil der ältere und ihm körperlich deutlich überlegene, überdies eine Schusswaffe mit sich führende Angeklagte gedroht hatte, er solle „ja nicht wegrennen“. Nachdem beide Angeklagten noch einige Zeit am Tatort ge­blieben waren, entfernten sie sich in unterschiedliche Richtungen. Der jüngere und freige­sprochene Angeklagte rief mit dem Mobiltelefon eines Zeitungsausträgers, auf den er ge­troffen war, die Polizei, gab dieser gegenüber aber wahrheitswidrig an, Täter seien Rumänen in einem französischen Polizeifahrzeug gewesen. Er wartete mit dem Zeitungsausträger auf die Polizeibeamten und führte diese letztlich an den Tatort.

 

Dem freigesprochenen Angeklagten wurde für den überwiegenden Teil der erlittenen Unter­suchungshaft eine Entschädigung zugesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verur­teilung auch dieses Angeklagten angestrebt.

Die §§ 20, 21, 49 Abs. 1, 57a Abs. 1, 211 StGB, 18, 105 JGG lauten:

 

§ 20 StGB

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Stö­rung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

 

§ 21 StGB

Ist die  Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich ver­mindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

 

§ 49 StGB

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

 

1.   An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (…).

 

§57a  StGB

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.   fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,

2.   nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung 

      gebietet und

3.   die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.

 

§ 211 StGB

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

     aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus   

     niedrigen Beweggründen,

     heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder

     um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken

einen Menschen tötet.

 

§ 18 JGG

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrachen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

 

§ 105 JGG

(…)

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz wegen der besonderen -Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

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